01. May 2005

Chancen für unser Kerngeschäft

Interessant an der vielfach diskutierten Geizwelle ist, dass sie mit hohen „gefühlten“ Preissteigerungen begann. Zur Einführung des Euro wurde bekanntlich alles teurer. Vielfach wurde an Fleisch- und Käse-Theke kurzerhand die gute alte D-Mark 1:1 in die neue Währung umgewandelt. Kein Wunder also, wenn im Gegenzug auf Verbraucherseite der Wunsch nach günstigeren Preisen laut wurde. Hinzu kam die gedämpfte Konjunktur: Das Geld saß nicht mehr so locker und plötzlich hatten die Aldis und Lidls auch qualitativ gute Produkte im Programm – bei zugleich erstaunlich aggressiven Dumping-Preisen. Schottischer Wildlachs, belgische Pralinen und edle Tropfen aus Bordeaux avancierten zu erschwinglicher Alltags-Kost für jedermann. Und der Verbraucher sah sich prompt in seinem Bewusstsein gestärkt: Was immer es sei – alles geht billiger! Der Run auf die Low-Price-Produkte führte zwangsläufig dazu, dass immer mehr Günstig-Ware die Food-Regale füllte – mithin der Markt für so genannte „normale“ Ware regelrecht verstopft wurde.

Doch wie jede Euphorie, ist auch diese wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Die Verbraucher haben festgestellt, dass sie gekauft haben, weil es so schön günstig war und nicht, weil ein echter Bedarf bestand. Obendrein mit der bitteren Erkenntnis, dass das Pseudo-Fertiggericht „im Angebot“ zwar sagenhaft billig war, sich geschmacklich aber auch auf dieses Niveau begab. Die Verbraucher haben daraus ihre Lehren gezogen – sind längst nicht mehr so freimütig bereit, nur aus Preisgründen Zugeständnisse zu machen. Fazit: Wir sind in der Normalität angekommen. Gekauft wird, was gefällt; was gut ist und was gebraucht wird. Billig wird mit teuer kombiniert. Der Wert spielt wieder eine Rolle. Das Wühlen in Wellpappe und Graukarton macht keinen Spaß mehr. Das Erlebnis, sich was zu gönnen, wächst.

Aber leider weiß der Verbraucher zu oft nicht, wie er sich in seiner Kaufentscheidung
verhalten soll. Es gibt zu wenig nachvollziehbare Gründe für den Griff zu hochpreisigen Produkten. Weil die qualitativen Aspekte nicht klar sind und die emotionalen nicht ausreichen. Wer bereit ist, einen höheren Preis zu bezahlen, der will auch wissen, wofür. Industrie und Handel sind nicht immer und überall in der Lage, dem Verbraucher die notwendigen Orientierungshilfen an die Hand zu geben. Tatsache ist: Der Markt für Differenzierung wächst wieder. Aber wir alle müssen diese Differenzierung erarbeiten – müssen uns anstrengen, den Verbraucher für uns einzunehmen. Etwa durch ein klares und eigenständiges
Package-Design, glaubhaft kommunizierte Produkt-Eigenschaften, attraktive Mehrwert-Anreize und, und, und. Im Grunde also ideale Zeiten für das Kerngeschäft einer Agentur: saubere Positionierung und gute Werbung.


*) Der Autor ist geschäftsführender Gesellschafter der
Hamburger Kommunikationsagentur RosenbauerSolbach.