01. October 2006

Beitrag Marketing-Journal

Um Missverständnissen vorzubeugen: Niemand würde ernsthaft behaupten, dass sich die deutsche Mittelstands-Szene durch Friede, Freude, Eierkuchen auszeichnet. Ob hausgemacht oder durch höhere Gewalt von außen verursacht, wollen wir einmal dahingestellt lassen und uns zunächst den Tatsachen zuwenden. Die sind weiß Gott nicht an den Haaren irgendwelcher Wirtschafts- oder Verbands-Lobbyisten herbeigezogen. Denn dass sich Absatzmärkte, Wettbewerbssituation und Verbraucherverhalten in den vergangenen Jahren gravierend verändert haben, steht außer Frage. Es wird schlichtweg mit härteren Bandagen gekämpft. Längst vorbei jene Zeiten, als dem Kunden bescheinigt wurde, er möge sich bitteschön hinten anstellen. Hinzu kommt, dass die kaufmotivierenden Entscheidungswege auf Käuferseite aufgrund der stetig breiteren und verwirrenderen Kommunikations-Vielfalt auch nicht kürzer geworden sind. Der Wettbewerb, der Konsument/Anwender, die Produkte: Alles wie austauschbar geklont. Woraus sich auf Anbieterseite die überlebenswichtige Frage erhebt, wie ich mich innerhalb dieses zunehmend von Gleichförmigkeit geprägten Marktes konsequent und konsistent positionieren kann.

Die Lorbeeren der Vergangenheit taugen selten als Ruhekissen für die Ewigkeit. Was gestern „in“ war, ist heute Schnee von gestern – bzw. umgekehrt. Woraus sich die Frage erhebt, wie ich mich als Unternehmer den veränderten Nachfrage-Bedürfnissen und den damit einhergehenden neu entstandenen Kernzielgruppen anpassen kann. Die Antwort muss lauten: Durch eine ständige Aktualisierung und Anpassung des eigenen Produkt-Portfolios. Gefahr erkannt – Gefahr gebannt? Schön wär’s! Steigende Lohnnebenkosten, Dumping-Margen, gedämpfte Konsumfreude verhindern, dass auch die genialste Produkt-Idee zum Goldesel mutiert. Und: Wenn „unterm Strich“ die kaufmännisch-vernünftige ökologische Effizienz nicht stimmt, ist über kurz oder lang der unternehmerische Schiffbruch programmiert. Andererseits lassen sich notwendige Kostenreduzierungen Unternehmens-intern kaum akzeptabel kommunizieren. Rotstift, Personalabbau und/oder Betriebs-Auflösung/Auslagerung bereiten vor allem jenen Mitarbeitern existentiell-bedrohende Sorgen, die wie bei mittelständischen Unternehmen vielfach üblich, ihr ganzes Berufsleben in ein und demselben Betrieb verbracht haben, untrennbar verwachsen sind mit einer über Jahrzehnte geprägten Firmenkultur. Wen wundert’s, wenn da jede Veränderung in den Entscheidungs-Verantwortlichkeiten – z. B. generationsbedingt oder aufgrund einer externen Fremd-Übernahme – voller Argwohn und Misstrauen registriert wird. Bitteres Fazit: „Das ist nicht mehr die Firma, wie wir sie gekannt haben.“

Ein fataler Irrglaube, wollte man eine schwammig gewordene Unternehmens-Kultur und verschlafene Markt-/Verbraucher-Trends als schicksalgegeben hinnehmen und auf bessere Zeiten hoffen. Vielmehr ist es so, dass es auch für Unternehmen in Umbruchzeiten genügend Ansatzpunkte für strategische Kurskorrekturen gibt – man muss sie nur kennen – oder besser: erkennen. Dabei ist es nicht anders als im „richtigen Leben“. Wie jeder Mensch, zeichnet sich auch jedes Unternehmen durch eine ureigene, individuelle Stärke aus, die vorhandene Schwächen locker kompensiert.

Kurz: Jedes Unternehmen hat „seinen“ starken Kern, und den gilt es herauszufiltern. Wie soll man uns „draußen“ kennen, wenn wir selber ein Buch mit sieben Siegeln sind? Wichtig: Die Analyse in eigener Sache muss sämtliche Facetten des Unternehmens, der Produktionsabläufe, der Mitarbeiter, der bestehenden und potentiellen Zielgruppen einbeziehen. So mancher Mittelständler-Chef wird auf diese Weise erstmals erfahren, wo sein Unternehmen innerhalb des Wettbewerbs positioniert ist, wo die Kernzielgruppen angesiedelt sind, welche hierarchischen Prozesse auf Kundenseite auftragsentscheidend sind, wie es mit Status/Image des eigenen Unternehmens in der Öffentlichkeit bestellt ist. Was macht den „Geist“ des Unternehmens für die Mitarbeiter aus, wie transparent sind die Produktionsabläufe?

Leider gewähren die traditionellen mittelständischen Gründer-Patriarchen nur ungern Einblick in ihre betrieblichen Interna. Ganz nach dem Motto: „Da könnte ja jeder kommen!“ Andererseits kann man sich aber ohne Blick in die Karten schlecht zu einem gravierenden Unternehmens-Kurswechsel entschließen.

Erst Transparenz schafft Effizienz

Was bringt die so vehement geforderte „Nabelschau“ in eigener Sache? Antwort: gar nichts! Zumindest dann nicht, wenn sich am Ende der Analyse kein trennscharf definiertes Unternehmens-Profil ergibt. Der Weg dorthin mag dornenreich erscheinen. Dafür aber „erkaufen“ sie sich unabdingbare Vorteile, ohne die moderne Marketing-/Absatzpolitik heutzutage gar nicht wirkungsvoll greifen kann.

Zunächst sind es die bereits erwähnten Stärken des Unternehmens, die es herauszukristallisieren gilt. Sie liefern gleichsam Fokus und Basis-Voraussetzungen für die wirkungsvolle Ausrichtung aller unternehmensspezifischen Handlungsabläufe. Marketing und Vertrieb wird auf diese Weise ein klar spezifizierter Argumentations-„Guide“ an die Hand gegeben, der eine einheitlich gültige Grundlage für eine klar abgrenzende Positionierung gegenüber dem Wettbewerb – natürlich auch zur Neukunden-Generierung schafft. Letzteres schließt auch die Gewinnung neuer Zielgruppen ein, da sich die vorliegenden Erkenntnisse über bestimmte Unternehmens-/Produkt-Prioritäten sehr viel zielgerichteter auf brachliegende Kunden-Potentiale ausrichten lassen.

Last but not least erhalten aber auch die eigenen Mitarbeiter ein nicht zu unterschätzendes Instrument der Unternehmensbindung- und Identifikation zur Optimierung eines gemeinsamen Zugehörigkeitsgefühls. Diese Bewusstseinsstärkung kann so wirkungsvoll wie sympathisch kombiniert werden mit Leitsätzen aus der Firmen-Philosophie, Zitaten des Gründervaters etc. So ungewohnt das zum Teil auch erscheinen mag – Sie wollen doch etwas verändern, oder? Nicht bloßes Reagieren ist angesagt, sondern pro-aktives Gestalten. Ihre Stärken sind der anderen Schwächen!

Was zu tun ist, ist zu tun – Aber wie?

Was man könnte, sollte, müsste, lässt sich leicht als Lebenshilfe vermitteln. Wenn’s aber an die praktische Umsetzung geht, gestaltet sich die Sache schwieriger. So wäre die Furcht vor der eigenen Courage unbegründet, denn bei aller Skepsis gestaltet sich die Vorgehensweise weniger dramatisch als angenommen.

Zunächst sollte man nicht dem Irrglauben verfallen: Was für das eine Unternehmen die optimale zukunftsorientierte Weichenstellung darstellt, gilt gleichermaßen für alle anderen auch. Zwar sind die Rahmenbedingungen für eine analytische Vorgehensweise weitgehend identisch, dennoch müssen die einzelnen Schritte in punkto der zur Verfügung stehenden Informationen wie Wettbewerbs-/Zielgruppen-Situation etc. ganz systematisch auf die unternehmensspezifischen Gegebenheiten abgestellt sein. In dieser ersten Stufe gilt es einerseits, Daten und Fakten sorgsam auf ihre Relevanz hin zu analysieren und zu verdichten. Andererseits werden das Potential des Unternehmens und seine qualitative Seite erst durch individuelle Interviews oder Workshops richtig zu Tage gefördert.

Und zum Thema „Unternehmens-Profilierung: Vergessen Sie die einsamen Entscheidungen von oben! Eine wirksame Unternehmens-Profilierung als Prozess der Selbstverständigung kann nur unter Einbindung aller davon tangierten Entscheidungsträger funktionieren.

Holen Sie nicht nur Ihre Führungs-Kollegen aus der Top-Etage an einen Tisch, sondern auch Vertreter aus der „zweite Ebene“, Mitarbeiter und durchaus auch Repräsentanten der Kundenseite. Sie werden staunen über die daraus gewonnenen „Intim“-Kenntnisse über Ihr Unternehmen. Und plötzlich kommen Dinge an die Oberfläche, die bislang lediglich als Flüsterpropaganda die Runde machten. Die gemeinsame Diskussion hilft, Entscheidungs-Prozesse auf ihre Relevanz hin zu überprüfen bzw. die zugrunde liegenden Werthaltungen explizit zu machen und auszuformulieren.

Wenn’s keiner weiß – macht’s keinen heiß

Perlen vor die Säue werfen – wer würde das mit einer Unternehmens-Neupositionierung bezwecken wollen? Es reicht daher nicht, wenn das Revirement am Werkstor endet. Das Ergebnis soll von innen nach außen von Mitarbeitern über Kunden und Lieferanten der Öffentlichkeit, den Medien und natürlich den potentiellen Zielgruppen gegenüber aufmerksamkeitsstark kommuniziert werden. Hierfür bieten sich intern vielfältige, zielgerichtete Events, Workshops oder Round-Table-Gespräche an und extern neben klassischen Maßnahmen auch die modernen multimedialen Möglichkeiten – Kunden- und Vertriebsveranstaltungen oder Pressemeetings. Wie und was auch immer: Entscheidend ist, dass das Unternehmen neben einem durchgängigen visuellen Auftritt eine eigene kommunikative Sprache findet, die zugleich im Markt eine Unternehmens-affine Akzeptanz findet. Die Basis hierfür muss vom kommunikativen Absender, dem Unternehmen und seinen Führungs-Verantwortlichen, kommen. Die Hilfestellung professioneller und kompetenter strategischer Planer und Kommunikations-Dienstleister wäre jedoch von Fall zu Fall dringend anzuraten.